4 Tage durch‘s Rheinland

07.03. – 10.03.2024 von Bernd Neumann

 

1.  Tag Vellmar – Köln – Bergheim

 Dies ist nun mein 5. Besuch bzw. 5. Teilnahme bei Manfred Steckels Marathons in Köln. Ich bin hier schon 2mal den Kölsche Mélangé und 2mal den Kölsché Variété Marathon gelaufen bzw. gewalkt. Heute heißt es wieder rund um den Rhein zwischen Rodenkirchener Brücke und Severins Brücke bzw. Deutzer Brücke. Manfred Steckel bietet wie viele Marathonsammler kleine Trainingsmarathonveranstalter mit einen Rahmenstart an. Ich kann zwischen 6:00 und 12:00 Uhr starten. Diese Rahmenstarts haben den Vorteil das man ohne Zeitdruck seinen Lauf beginnen kann. Auch der heutige Lauf wird nach den gültigen Richtlinien vom 100 Marathonclub Deutschland e. V. ausgerichtet und ist damit auch für den 100 MC zählbar. Auch bei Manfred gibt es eine eigene Zeitnahme. Nach dem Lauf muss man seinen Nachweis über Laufzeit sowie Streckenlänge per Foto an den Veranstalter schicken.

 Von meiner Heimat Vellmar sind es bis zum Start am Heinrich-Lübke-Ufer in Köln-Rodenkirchen unterhalb der Rodenkirchener Brücke rund 250 km bzw. knapp 3 Stunden Fahrt.

 Wie ich nach Köln komme gegen 7:30 Uhr ist es schon hell. Kurz vor der Brücke am Biergarten wird wie immer geparkt. Nun Laufschuhe an und los geht es erstmal aufwärts zur Autobahnbrücke neben der A4. Die Rodenkirchener Brücke wird gerade saniert und so gibt es nur einen schmalen Weg über die Brücke den wir uns mit den Fahrradfahrern teilen müssen. Von der Brücke hat man einen schönen Blick in Richtung Köln.

 Bis zur anderen Seite vom Rhein sind es allein über die Brücke rund 700m. Dann geht es in einer Schleife runter an den Rhein. Bis hier sind es schon rund 1,5 km. Zwischen dem Rhein und dem Campingplatz folgen wir dem Rhein durch eine wunderschöne Auenlandschaft die nächsten 2 km flussabwärts. Hierbei kommen wir an vielen großen Wiesenflächen vorbei, den Poller Wiesen mit vielen Fußballplätzen und einer Aschenlaufbahn.

 Hinter der Eisenbahnbrücke (Südbrücke) geht es nun kurz aufwärts zum Fußweg neben die Alfred-Schütte-Allee. Hier wird ein riesiges Quartier dem Boden gleich gemacht. An einem Gebäude kann man noch den Namen Aurora erkennen. Das Auroramehl wurde hier in der Ellmühle direkt am Rhein gemahlen. Da die Kartoffel erst im 16. Jh. nach Europa kam waren die Getreidemühlen lebensnotwendig. Früher wurde immer das ganze Korn zu Vollkornmehl gemahlen. Die Müller hatten eine 7 Tage-Woche da Mehl immer nur ein paar Tage haltbar war. Nur während der Gottesdienste musste die Mühle stillstehen. Die Kunden mussten sich beim Müller immer anstellen und so entstand der Spruch „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

 Mit dem Abriss hat man hier schon im letzten Jahr begonnen, was mir beim letzten Lauf hier entlang schon aufgefallen war. Jetzt ist fast alles dem Boden gleich. Hier soll ein neues Wohnquartier, die „moderne Stadt“ in Deutz“ entstehen.

 Am Ende der Allee überqueren wir die Deutzer Drehbrücke. Hier ist auch der Deutzer Hafen in dem heute ein 135m langes Ausflugsschiff vor Anker liegt. Wir folgen nun weiter dem Rhein wobei wir unter der Severinsbrücke durchlaufen bis kurz vor die Deutzer Brücke. Hier müssen wir über die Herbert-Liebertz-Wiese aufwärts zur Brücke. Herbert Liebertz förderte den Kanu Wildwasser-Rennsport und gründete das KSK Team Köln (Kanu-Sportfreunde Köln).

 Die Deutzer Brücke über den Rhein wurde bekannt durch „Bolze Lott“ die Schmugglerin. Um das Jahr 1850 watschelte eine Frau mit extrem ausladendem Reifrock über die Deutzer Schiffsbrücke. Unter dem Reifrock schmuggelte sie mehrere Pfund Mehl und Speck auf die linksrheinische Seite. Wollten die Zollbeamten sie kontrollieren wurde sie extrem laut und beschimpfte sie als „Föttesföhler“. Die Beamten wollten nur die 1856 eingeführte Mehl- und Schlachtsteuer kassieren, die dann 1874 wieder angeschafft wurde.

 Beim Kilometer 6 sind wir nun auf der Deutzer Brücke. Beim Blick nach vorn rechts sehen wir den Dom. Hinter der Brücke biegen wir links ab und umrunden das Hotel. Vorsicht denn wir überqueren hier die stark befahrene Straße und sind wieder am Rhein.

 Nach einem Stück Promenade kommen wir am Malakoffturm vorbei. Der Turm gehörte zur Preußischen Rheinuferbefestigung von 1848 – 1858. Kurz danach überqueren wir die Drehbrücke im Rheinauhafen. Vor uns befindet sich das Schokoladenmuseum. Hier geht es um die Geschichte der Schokolade sowie zur modernen Schokoladenherstellung. Eintrittspreise ab 14€. Wir laufen vorbei am Museum und auch am Deutschen Sport- und Olympiamuseum, dann unter der Severinsbrücke geht es zum alten Drehkran an den Rhein.

 Von hier aus folgen wir der fast 2 km langen Promenade, unter den drei Kranhäusern durch, bis zum Ende am alten Hafenkran. Nun geht der Weg durch einen Grüngürtel am Rhein entlang auf dem Kölnpfad.

 Ich setze meinen Weg weiter fort. Nach ca. 1 km kann man beim Blick nach rechts den Bismarckturm sehen. Zu Ehren von Otto-von-Bismarck wurden Anfang des 20. Jahrhunderts an vielen Stellen in Deutschland Bismarcktürme errichtet. Bei diesem Turm wurde ein Großteil der Finanzierung vom Schokoladen-Produzenten Heinrich Stollwerck übernommen.

 Kurz hinter der Südbrücke steht am Ufer fast versteckt eine metallene Skulptur. Joachim X hat hier für seinen Sohn die Skulptur „Vater und Sohn“ aus Stahlblech erstellt und 2012 aufgestellt. Die zwei schauen jetzt schon fast 12 Jahre auf den Rhein.

 Es geht immer weiter am Rhein entlang bis zur noch ca. 2km entfernten Rodenkirchener Brücke (Startparkplatz). Jetzt heißt es versorgen und nochmal die gleiche Runde.

 Hier in Wassernähe ist es heute Morgen sehr windig und kalt. Nach der 2. Runde gibt es noch 2 kürzere Runden. Die kürzeren Runden gehen über die Severinsbrücke und so hat man nach 2 Runden a 11,2 km und 2 Runden a 10,1 km den Marathon (42,6 km) geschafft. Nach knapp über 8 Stunden habe ich es geschafft und versorge mich am Auto und ruhe noch ein wenig.

Deutzer Brücke Runde 11,2 km                                                                                                 Severinsbrücke Runde 10,1 km

 Da es erst früher Nachmittag ist fahre ich zum Forstbotanischen Garten und Friedenswald, der im Süden der Stadt liegt am Stadtteil Rodenkirchen.Auf einer Fläche von 90 ha befindet sich hier eine wunderschöne grüne Lunge. Anfang der 60er Jahre wurde der forstbotanische Garten auf einer ehemaligen Ackerfläche angepflanzt. Auf ca. 25 ha findet man eine extreme Vielfalt von über 3.000 Gehölzarten. Jetzt Angang März kann man hier die Stille genießen, denn es ist noch nicht viel am Blühen. Neben Osterglocken gibt es aber schon die herrlichen Farben von der Magnolie. In dem eingezäunten Areal gibt es eine Rhododendronschlucht, einen Felsengarten sowie eine Pfingstrosenwiese. Was mir heute über den Weg läuft sind mehrere Pfauen. Einer hat gerade sein prächtiges Kleid aufgeblasen. Leider sehe ich ihn nur die Büsche. Die anderen Pfauen laufen halt nur so rum.

 Auf dem Weg zwischen Besucherparkplatz und Eingang liegt der große Friedenswald der in den 80er Jahren angelegt wurde. Hier wachsen Bäume und Sträucher aus aller Welt, zu denen die Stadt Köln diplomatische Beziehungen unterhält.

 Nach ca. 1 Stunde werden die Beine dann doch müde und ich mache mich nun auf den Weg nach Bergheim wo ich die nächsten 3 Nächte Quartier habe.

2. Tag Bergheim – Kerkrade – Bergheim

 Ausschlafen, frühstücken und dann los auf Erkundungstour, heute ist Ruhetag bzw. Touri-Tag. Mein erstes Ziel heute Morgen ist das riesige Tagebaugebiet Hambach. Rund 8 km entfernt vom Quartier befindet sich der Aussichtspunkt Terra Nova I.

 Der Tagebau Hambach ist die größte Braunkohlegrube Europas mit rund 85 qkm Fläche. Da ich bisher Hambach nur aus dem Fernseher kannte will ich mir heute einen persönlichen Eindruck machen. In der Nähe von Elsdorf, ca. 20 km westlich von Köln befindet sich das riesige Abbaugebiet. Seit 1978 wurde mit dem Aufschluss der Erde begonnen, dessen Ergebnis man heute hier sehen kann. Viele Orte fielen dem Tagebau zum Opfer, Gemeinden die schon über 1.000 Jahre alt sind.

 Ich bin jetzt am Aussichtspunkt Tagebau Hambach/:Terra nova. Es ist hier schon sehenswert was der Mensch alles zerstören kann um dem Erdreich Braunkohle zu entwenden, die dann zu Nullkommanull verheizt wird. Dann heißt es auch noch Terra Nova, neues Land. Wer den Weg der Zerstörung genauer wissen will für den gibt es die Begegnungsstätte. Die tollste Idee sind dann die Sonnenliegen am Rand der Zerstörung.

 Ich stehe vor den Sonnenliegen und schau auf ein riesiges in Stufen gefächtertes Loch, das bis 400m tief geht. In diese Abraumhalde würde die komplette Stadt Würzburg reinpassen. RWE hat schon den stufenweisen Ausstieg bis 2030 geplant. Es soll hier dann später einer der größten künstlichen Seenlandschaften Deutschlands entstehen. Man überlegt auch den See dann mit bis zu 50 Millionen Solarmodulen abzudecken. Die Leistung könnte dann 10 Gigawatt betragen. Solche sogenannten schwimmenden Solarparks gibt es schon in anderen Teilen der Welt.Ein Teil des Erdaushubs ist am Nordrand als Aufschüttung entstanden. Auf der Sophienhöhe ist eine neue Landschaft entstanden die heute die Bördenlandschaft um 200 m überragt und als Touristenanlaufpunkt beliebt wird.

 Ich fahre anschließend weiter am Rande des Tagebaugebietes in nördliche Richtung und mache Stopps an den Punkten Terra Nova 2, 3 und 4. Es geht meist über eine Betontreppe nach oben an den Rand der Grube.

 Mein nächster Touristikpunkt liegt in den Niederlanden gleich hinter der Grenze, die Abtei Rolduc. Ich erreiche über Jülich Kerkrade und parke direkt vor der Abtei. Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift ist der größte erhaltene Klosterkomplex der Niederlande und als Rijksmonument anerkannt.

 Da der größte Teil der Gebäude als Hotel, Kongresszentrum, Katholisches Priesterseminar und Bildungsstätte genutzt werden muss ich mich auf die Außenansichten beschränken. Neben dem Eingang zum Hof werden wir von einer Christusstatue mit einer Inschrift begleitet die uns sagen soll, dass diese Gebäude ohne Verfall errichtet wurden. Vom Vorplatz aus hat man einen guten Blick auf die Klosterkirche sowie auf die Klausurgebäude und das heutige Hotel.

 Mit der Rückseite zu mir befindet sich die Statue des Stifters Ailbert von Antoign. Er hatte sein voriges Kloster verlassen, weil ihm die Einhaltung der Ordensregeln nicht streng genug eingehalten wurden. Im Ostflügel befindet sich eine wunderschöne Bibliothek im Rokokostil, die nur für wissenschaftliche Forschungen betreten werden darf. Die Klosterkirche kann nach Anmeldung aber besichtigt werden. Zwischen Hotel und Klausurgebäude steht die Kreuzbasilika aus dem 12. Jahrhundert. 1136 erhielt das Kloster die weltliche Schirmherrschaft der Herzöge von Limburg. Einige Herzöge fanden auch in der Krypta der Kirche ihre letzte Ruhestätte.

 Im Nordosten der Anlage befindet sich ein Gebäude mit einer Kunstgalerie und dem Künstlerlokal der Brauerei des Klosters. Hinter dem Kloster im östlichen Teil befindet sich ein großer Skulpturen- und auch ein Weingarten.

 Ich verlasse das UNESCO religiöse Denkmal und fahre in die gegenüberliegende Stadt Kerkrade. Kerkrade liegt ganz im Süden der Provinz Limburg und hat rund 45.000 Einwohner. Gesprochen wird hier ein ripuarischer Dialekt der ein Mix aus Kölsch und niederländisch ist. Er gehört zu den drei großen Rheinischen Sprachgruppen. Der Ost entstand schon im Mittelalter wo sich auch der Name her ableitet. Kerk = Kirche – Rode = Rodung von Wald. Es wurden hier jedoch schon Faustkeile aus der Zeit um 60.000 Jahre v. Chr. gefunden. Auch die Römer waren schon hier, was durch alte Villa Rustica Grundmauern nachweisbar sind. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lebten die Menschen hier von der Landwirtschaft, Handwerk und dem Handel. Durch die Industriealisierung stieg die Nachfrage nach Kohle und so wurde die Region das Zentrum des Bergbaus der Niederlande. In den 1970er Jahren wurde der Bergbau hier vollständig eingestellt. Heute lebt man hier von Dienstleistungen und vielen Produktionsstätten. Die Landwirtschaft spielt heute hier eine untergeordnete Rolle.

 Ich parke am Rande des Zentrums und gehe nur 5 Minuten bis zum Marktplatz. Heute ist Freitag und es ist Markttag. Die Händler sind schon zum Teil am Einpacken. Rund um den Markplatz gibt es eine ganze Reihe von schönen Cafes die auch gut besucht sind am frühen Nachmittag. Ich schlendere noch durch einige Straßen die jedoch kaum besucht sind. Das Leben spielt sich hier um den Marktplatz sowie die naheliegende Passage ab. Also heißt es für mich ab nach Hürth um meinen kleinen Enkel zu besuchen. Anschließend zurück zum Quartier und früh schlafen, denn morgen steht schon der nächste Marathon am Wochenende an.