Die Seidenstrasse erleben in Kirgistan 2017

"The Ancient Silk Road Marathon 2017"

Lauf- und Wander- Erlebnisreise auf den Spuren Marco Polos

 

10. bis 20. Mai 2017 von Bernd Neumann – 1. Teil

 Diese Reise wird die Spuren von den großen Entdeckern und Reisenden wie von Alexander dem Großen, Marco Polo, Tschingis Khan und Timurlan berühren. Sie waren die Forscher und Eroberer die die Seidenstraße zur wichtigsten Verkehrsachse zwischen Europa und Zentralasien bis China bekannt machten. Die Große Seidenstraße ist ein Netz von Karawanenstraßen die Europa und Asien vom Mittelmeer bis nach China verbinden. Es gab jedoch nicht nur den Austausch von Waren sondern auch wissenschaftliche und technologische Neuerungen so wie Weltanschauungen und Ideen fanden den Weg zwischen Asien und Europa.

 Ein Teil der Großen Seidenstraße verläuft durch Kirgistan. Das alte China kannte die Länder hinter dem Tien-Chan, Himalaya und Pamir-Gebirge nicht. Erst der chinesische Reisende Tschin Czan überquerte im 2. Jh. v. Chr. die Alai Kette und erzählte nach seiner Rückkehr von den Wundern und Reichtum der bereisten Länder. Ihm folgten schon nach kurzer Zeit Kaufleute mit Karawanen von Waren. Es entstand eine weitreichende Karawanenstraße die später dann Seidenstraße genannt wurde. Diese Handelsstraßen verliefen durch Kirgistan das eine Brücke zwischen Ost und West wurde. Einen Teil dieser Seidenstraße besuchen wir auf unserer Reise und werden Gast sein im Reich vieler turkstämmiger Völker.

 Wo liegt denn dieses Kirgistan? Mit dem Auto 70 Stunden oder 6.000 km nach Osten bis kurz vor China. Die Kirgisische Republik liegt eingerahmt von Norden Kasachstan, von Südosten China, von Süden Tadschikistan und im Westen Usbekistan. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist das Land unabhängig. Die Hauptstadt Bischkek liegt im Norden des Landes mit ca. 1,2 Mill. Einwohnern. Das Land hat eine Gesamtfläche von 200.000 km2 in dem ca. 6 Millionen Menschen leben. Die Größe ist etwas mehr als die Hälfte von Deutschland.

 Diese Reise wird auch eine Zeitreise in die 50er Jahre, denn heute tickt hier die Uhr noch wie in meiner Kindheit, wo ich z.B. noch die Bauern mit Pferd vor dem Ackerpflug erlebt habe. Wir werden weiße Gebirgsketten zum Greifen nah haben und durch Täler wandern die uns an die Schweizer Alpenwelt erinnern. Bei kirgisischen und uighurischen Familien werden wir zu Hause als Gast sein und dort bewirtet werden und von unserer Reiseführerin erfahren wir viel über die Geschichte, Kultur, Sitten und Gebräuche dieser Volksstämme. Nicht zu vergessen einen unserer wichtigsten Reiseziele der „Silk Road Marathon“ auf der legendären Seidenstraße. Ich werde unser Wappentier auf dem Arm halten und, und, und …

 Nun geht es los von Frankfurt aus mit einem Zwischenstopp am Ende Europas, in Istanbul und dann über den Bosporus nach Asien weiter zur Hauptstadt von Kirgistan nach Bischkek, dass noch in Sowjetzeiten Frunse hieß.

 Wir kommen am frühen Morgen im Hotel an und beziehen unsere Zimmer. Da ich ein Dreibett-Zimmer gebucht habe komme ich mit Hans, der Schwabe der seit 50 Jahren in San Franzisco lebt und Hardy der alles kann außer Hochdeutsch in ein Zimmer. Wie sich noch im Laufe der Reise herausstellen wird habe ich nicht nur zwei Zimmergenossen sondern auch zwei neue Freunde gewonnen.

 Nach dem Frühstück ist ein Teil der Gruppe, die aus 15 Personen (Läufern) besteht zu einem kleinen Lauf in der Nähe unterwegs. Ich gehe zu Fuß um ein paar Ecken und erlebe eine Hauptstadt die durch die Sowjetunion geprägt ist mit vielen alten Häusern und daneben der Aufbruch ins 21. Jh. mit vielen Neubauten. Überall wird die Stadt modernisiert. Beim Blick über die Stadt hinaus hat man das Gefühl die Berge anfassen zu können. Bischkek liegt ganz im Norden von Kirgistan im Tschüi Tal am Fuße des Tien Shan Gebirges.

 Der Straßenverkehr wird trotz Ampeln immer noch durch Polizisten geregelt, der gekonnt seinen Leuchtstab schwenkt. Beim Blick in die Fahrzeuge bemerke ich, dass es hier bunt gemixt rechts und links gelenkte Fahrzeuge gibt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden viele Fahrzeuge aus Asien und Europa importiert egal die Hauptsache Autos. Viele Automodelle die in Deutschland ein H am Nummernschild haben findet man hier ganz normal im Straßenverkehr.

 Wir treffen uns dann alle im Hotel wo wir auch unsere Fremdenführerin Anara kennen lernen. Anara spricht sehr gut deutsch da sie auch deutsch studiert hat und ist eine sehr taffe Frau mit der wir auf unserer Reise sehr viel Spaß haben werden.

 Heute ist eine Stadtführung zu Fuß angesagt. Bevor wir jedoch tief in die Kultur der Hauptstadt einsteigen werden gehen wir gemeinsam zum Mittagessen. Anara hat für uns das Restaurant Navat ausgesucht. Wir werden sehr herzlich empfangen in einem sehr schönen Ambiente und nehmen an einer großen Tafel Platz. Anara erklärt uns, dass hier die typische kirgisische Küche zubereitet wird.

 Auf dem Tisch stehen Brotkörbe mit dem landestypischen Lipioshka (Fladenbrot). Jeder bekommt sein Glas mit Mineralwasser gefüllt und es werden zusätzlich Kannen mit grünem und schwarzem Tee gereicht. Anara empfiehlt uns den Tee mit dem gelben Kristallzuckerstücken zu süßen. Dann wird auch schon unsere Vorspeise serviert. Es gibt eine köstlich schmeckende Linsensuppe.

 Die kirgisische Küche hat ihren Ursprung im Nomadenleben und ist deshalb auch sehr fleischlastig. Meist wird Rind und Huhn aber auch Hammel gegessen. Und so gibt es auch zu unserer Hauptspeise Hühnchen mit viel Gemüse und Reis. Wir haben in unserer Gruppe auch Vegetarier die auch leckere Alternativgerichte bekommen auf der gesamten Reise. Zum Nachtisch werden uns kunstvoll geschnittene und dekorierte Teller mit Obst gereicht.

 Das Nationalgericht in Kirgisistan ist der Beschbarmak ein Nudeleintopf mit kräftiger Brühe und gekochtem Hammelfleisch. Typisch ist auch Schorpo, ein Fleischeintopf mit Kartoffeln und Gemüse. Als Snack gibt es oft gefüllte Teigtaschen mit Hackfleisch, Zwiebeln und Gemüse das noch aus der russischen Küche stammt. Die Kirgisen essen auch schon morgens Nudelsuppe mit Hammelfleisch und Gemüse.

 Anschließend geht es zum großen Platz vor der Philharmonic Hall. Hierzu unterqueren wir die Chuy Avenue. Hier unten sind viele kleine Geschäfte (Kioske) sogenannte Einmann-Läden.

 Auf der anderen Seite erreichen wir den Platz auf dem Manas auf seinem Schlachtross dargestellt wird. Manas ist der Volksheld der Kirgisen, der mit seinen Gefährten im 9. Jh. die Uiguren vertrieb. Es gibt hierüber ein Epos mit fast 500.000 Versen. Er soll in den Ala-Too Bergen geboren sein, in der Region Talas. In der Nähe gibt es auch ein Mausoleum wo es im Sommer immer kirgisische Reiterspiele gibt.

 Die roten Sandsteinfiguren an den Seiten sind Erzähler, die Geschichten von dem heldenhaften Manas erzählen. Da die Verse 1885 erstmals schriftlich festgehalten wurden gab es viele Erzähler und auch viele Varianten und so gibt es heute 65 verschiedene Versionen. Rechts davor steht Tschingis Aitmatov, ein bedeutender Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

 Hier am Manas-Denkmal ist auch ein idealer Platz um unsere Gruppe zu fotografieren, mal mit Nils und mal mit Anara. Um den Platz gibt es verschiedene Ministerien und Universitäten.

 Dann geht es wieder durch die Unterführung mit den vielen kleinen Geschäften. Hier gibt es neben Schreibartikeln viel Ramsch aus China wie auch Plastik-Gewehre für die Kinder. Auf der anderen Seite sitzt ein älterer Mann mit dem Kalpak, der traditionellen kirgisischen Kopfbedeckung. Der Kalpak oder auch Kolpak ist meist eine kegelstumpfförmige Mütze die von Zentralasien bis in die Türkei in vielen unterschiedlichen Formen und Größen getragen wird. Bei uns in Deutschland kommt der Kolpak von den Magyaren über das Osmanische Reich und damit ist die Fellmütze der Husaren gemeint. In Kirgistan wird jedes Jahr am 3. März der Tag des weißen Kalpaks gefeiert.

 Wir folgen der Chuy Avenue in östliche Richtung und kommen am Kinocenter und einem Institut vorbei zum großen weißen Regierungspalast.

 Überall in der Stadt gibt Straßenstände wo Frauen Kwas und Bozo, das nationale Getränk aus vergorener Gerste verkaufen. Da wir neugierig sind kauft Anara zwei drei Becher zum Probieren. Gut, dass wir nur einen Schluck genommen haben, denn für unseren Geschmack ist es recht bitter und säuerlich.

 Gleich daneben ist der große weiße Palast der heutigen Regierung. In Sowjetzeiten war der in den 1980er errichtete achtstöckige Prachtbau das Hauptquartier der Kommunisten. Weltbekannt wurde das Gebäude im Jahr 2005 wo während der Tulpenrevolution der Palast gestürmt wurde und den Präsidenten Askar Akayev zur Flucht aus dem Land zwang. Auch 2010 bei den blutigen Unruhen wurde ein Teil des Gebäudes zerstört. Heute strahlt der Palast im hellsten Weiß und wird streng bewacht.

 Gleich daneben befindet sich der Ala-too Platz mit dem legendären Standbild von Manas. Auf dem großen Platz davor gibt es auch die Militäraufmärsche wie zu russischen Zeiten. Nebenan um den Turm steht ein 28m hohes Denkmal wo sich 13 Figuren die Hände reichen zum Zeichen der Freundschaft zwischen dem kirgisischen und russischen Volk. Auf dem Platz weht eine riesige Nationalflagge.

 Die Flagge ist rot mit einer goldgelben Sonne in der Mitte mit 40 Strahlen. Diese sollen die 40 Volksgruppen die hier leben darstellen. In der Mitte ist ein roter Ring der zweimal drei Linien gekreuzt, was das Kuppeldach einer Jurte zeigen soll. Die Farbe Rot soll die Tapferkeit des Nationalhelden Manas darstellen der einst die 40 Stämme vereinen konnte.

 Früher stand auf dem Platz eine Freiheitsstatue, aber wie so oft wollen die Völker ihre eigenen Nationalhelden präsentieren, denn sie wurden ja Jahrzehnte lang unterdrückt und wollen die Symbole dieser ehemaligen Herren nicht mehr haben. Auf dem hinteren Platz steht das Nationalmuseum.

 Wir gehen weiter durch den Oak Park gen Norden. In einem Teil des Parks stellen Maler ihre meist grellen Bilder vom Leben der Nomaden und deren Landschaften dar. Dann geht es weiter zu Fuß zum Hotel.

 Am Abend heißt es wieder auf zu einem anderen Lokal, dem Mimino wo uns wieder eine große Tafel mit vielen leckeren Speisen erwartet. Heute Abend wird in einer rustikalen Umgebung georgisch gegessen.

 Auf dem Heimweg im Dunkeln kamen wir am Ala-too Platz vorbei, wo viele Blumengebilde kitschig farbig dargestellt werden. Für die Hauptstädter ein Abendvergnügen, denn sehr viele Menschen liefen auf dem Platz umher. Das warme angenehme Wetter zog natürlich auch noch viele Neugierige hier her.

 Dann ging es durch das fast dunkle Biskek zum Hotel. Kaum eine Straßenlampe leuchtet und die sogenannten Bürgersteige haben tausend Löcher. Vorsicht ist hier geboten, denn überall wird gebaut und die Straßen und Bürgersteige sind aufgerissen. Interessant ist auch das die Menschen sich hier beim Überqueren der Straßen nach den Auto-Ampeln richten.

 Am nächsten Morgen heißt es weiterreisen. Unser heutiges Ziel ist Tscholponata am Issykul-See, rund 260km in östliche Richtung. Es geht über die die A365 bis nach Tokmok. Auf der linken Seite begleiten uns die schneebedeckten Berge des Tian Shan Gebirges.

 Nach rund 40km Fahrt kommen wir direkt neben die kirgisisch-kasachische Grenze. Wir folgen dem Fluss Tschüi der die Grenze hier oben bildet.

 In Tokmok biegen wir gen Süden ab in ins 12km südliche Burana. Schon von weitem wird eines der ältesten und noch erhaltenen Bauwerke der ehemaligen Seidenstraße sichtbar. Es ist der ehemals 45m hohe Burana-Turm. Wir halten am Parkplatz vor dem goldenen Tor. Zwei seltsame Steinfiguren halten hier wacht. Was es damit sich hat erklärt uns Anara noch später. Wir gehen nun erstmal zum Turm.

 Vom ehemals 40m hohen Turm stehen heute noch 21,7m, da bei einem Erdbeben ein Teil abgefallen ist. Nebenan im provisorischen Museum erhalten wir eine Führung wo uns erklärt wird, dass hier früher mehrere Gebäude der vermutlich verschwundenen Stadt Balasagun standen. Heute sind noch Reste einer Wehrmauer zu sehen. Es gibt aber auch Funde wo man Fragmente einer alten Wasserleitung aus der Zeit der Karachaniden uns zeigt. Die Karachaniden haben auch vermutlich diesen Turm gebaut, denn sie bauten mit kunstvollen Versetzungen bzw. ornamentalen Strukturen mit einfachen Ziegeln. Es handelt sich um eine turkische Herrscherdynastie die Mittelasien zwischen dem 10. bis 12. Jh. beherrschten.

 Neben dem Museum steht eine Jurte in die wir natürlich neugierig rein schauen mussten. Es gab hier vielerlei Andenken und typische Handarbeiten der Kirgisen zu kaufen. Natürlich probierten wir auch den traditionellen Kalpak. Einige kauften sich auch einen Hut und schon war der Begriff Läuferhut in Kirgisistan geboren. Ich habe leider kein Hutgesicht, aber ein Foto zur Erinnerung wollte ich dann doch haben. Es gab verschiedene Ausführungen der Hüte sowie Tücher und handgearbeitete Hausschuhe. Einige unserer Gruppe kauften sich hier Ansichtskarten für ihre Lieben zu Hause. Dann wurden viele Fotos von unseren Kalpakträgern geschossen und später noch ein Gruppenfoto vor dem Turm.

 Die hohen Türme an der Seidenstraße zeigten den Reisenden und Händlern dass die nächste Stadt und sicherer Rastplatz nicht mehr weit waren. Die Stadt Burana entging der Schlachterei der Mongolen und wurde doch nach und nach bedeutungslos. Im. 15. Jahrhundert. begann es zu zerfallen und von der ehemaligen Stadt sind heute außer dem Burana-Turm nur noch einige wenige Reste zu sehen.

 Die Sowjets haben den Turm 1974 restauriert und so kann man heute durch eine sehr enge und extrem steile Treppe hoch steigen. Von oben sind die schneebedeckten Berge zum Greifen nah und man hat eine gute Aussicht auf das Tschu Tal und Tokmok. Zum Teil sind auch noch die Linien einiger ehemaligen Gebäude zu sehen.

 Noch innerhalb dieses 36ha großen Areals befindet sich ein großes Feld mit Steinfiguren. Diese Petroglyphen (Bilder und Schriftzeichen auf Stein) stammen aus dem 2. Jh. Auch Balbals (kleine Grabsteine nomadischer Türken) sind hier zu finden. Viele wurden aus dem ganzen Tschu Tal hierher gebracht. Diese steinernen Krieger sollen an die tapferen Soldaten erinnern.

 Dann erzählt Arana uns noch von einer Legende die sich hier am Turm zugetragen haben soll. Eine Hexe prophezeite dem Herrscher dieses Landes das seine Tochter im Alter von 18. Jahren sterben würde. Der Khan sperrte daraufhin die Prinzessin in den Buranaturm den niemand betreten durfte. Nur ein Diener durfte ihr täglich ihr Essen bringen und so verging die Zeit und aus dem Mädchen wurde eine junge Frau. Nichts geschah und der Khan war stolz seine Tochter beschützt zu haben. An ihrem 18. Geburtstag brachte der Diener ihr wieder ihre Speisen. Was er jedoch nicht merkte das sich eine giftige Spinne zwischen dem Obst verkrochen hatte. Die Königstochter wurde von ihr gebissen und verstarb genau an ihrem 18. Geburtstag. Ende.

 Vom Burana-Turm fahren wir über eine holprige Piste ins 2km entfernte Don-Aryk, einem kleinen Dorf. Der Bus hält auf einer staubigen Straße im Ort und wir steigen alle aus. Es ist unser Mittagessenplatz. Wir werden heute hier im Dorf bei einer Familie speisen. Zuvor gehen wir noch ein wenig über die staubigen Pisten und schauen uns die Dorfidylle an. Vieles erinnert hier an die DDR in den 50er Jahren.

 Dann ruft uns Anara und wir betreten den Hof in dem ein Samowar steht. Ein Samowar (russische Teemaschine) steht eigentlich in ganz Russland und ehemaligen Staaten in jedem Haushalt. Hier wird mit heißem Wasser der Tee zubereitet.

 Nachdem wir unsere Schuhe vor dem Haus ausgezogen haben gehen wir in das große Wohnzimmer das für uns zu einem Speisezimmer mit langer Tafel umfunktioniert wurde. Wir werden heute hier bei einer Familie essen. Diese Art von Gastgeber gibt es hier in Kirgistan des Öfteren. Auch hier steht der Tisch wieder voll mit Speisen was in Kirgistan für eine gute Gastfreundschaft steht.

 Wie wir uns draußen wieder alle treffen zur Weiterfahrt kommen uns drei junge Männer auf ihren stolzen Pferden entgegen. Hier lernen die Kinder schon reiten bevor sie laufen können. Ich habe gelesen, dass es hier in Kirgistan weiße Pferde mit blauen Augen geben soll. Wir werden sie leider nicht zu sehen bekommen. Vielleicht irgendwann mal wenn ich wieder hier im Land bin. Dann geht es per Bus weiter.

 Wir fahren zurück nach Tokmok und weiter zur A365. Es geht weiter gen Osten ein Stück an der kasachischen Grenze entlang. In Kemin ist wieder ein sehr großes Reiterstandbild von Manas. Auf der rechten Seite schlängelt sich der Tschüi neben der Straße entlang.

 Dann machen wir Halt am Straßenrand in den Bergen, denn es ist eine Wanderung in eine Schlucht angesagt. Es ist extrem heiß so um die 30 Grad und es geht nach einem anfänglichen Pfad weiter über Geröll. Hans und Anara sind uns weit voraus und so verlieren wir sie aus dem Augen. An der nächsten Weggabelung wissen wir nicht mehr weiter und laufen den falschen Weg der uns durch Gestrüpp bis an eine große Felswand bringt. Hier ist Ende und es geht zurück.

 Auf der weiteren Fahrt wechselt der Tschüi auf die andere Seite und es geht durch eine kahle aber sehr eindrucksvolle Felsenlandschaft des Tianshan Gebirges.

 Bei Balyktschy erreichen wir das Westufer vom Yssykköl See. Vor uns breitet sich der zweitgrößte Bergsee der Welt aus. Er ist 182 km lang und 60 km breit.

 Wir fahren noch einige Kilometer am Nordufer entlang zu unserem heutigen Ziel dem Hippodrom bei Tscholponata. Hier findet die Startunterlagenausgabe für unser morgiges Rennen „Silk Road Marathon 2017“ statt. Anschließend fahren wir zu unserem Hotel das nur rund 2 km entfernt liegt direkt am See.

 Heute ist Marathontag am Samstag den 14. Mai 2017. Offiziell heißt er 6. int. Marathon von Kirgisistan "Run the Silk Road". Der Start- und Zielbereich befindet sich im Hippodrom von Tscholponata.

 Hier in dieser relativ neuen Pferderennanlage finden auch die traditionellen Nomadenwettkämpfe statt. Das mittlerweile zum größten Sportereignis in Kirgistan gewordene Spektakel. Die 2012 noch im kleinen Kreis durchgeführten Spiele zur Wiederbelebung und Erhaltung des historischen und kulturellen Erbes der Nomadenwelt wo nur Aserbaidschan, Kasachstan und die Türkei teilnahmen wurde dann zum größten Sportevent Kirgistans. Das heutige Areal wurde mit finanzieller Unterstützung von Gazprom und Turkish Airline errichtet. Heute nehmen an den traditionellen Reiterspielen 50 verschiedenen Nationen mit nomadischem kulturellem Erbe teil. Heute wird bei den Spielen ein Nomadendorf mit über 200 Jurten aufgebaut und es wird sich gemessen in 16 verschiedenen exotischen Sportarten, wie etwa berittenem Bogenschießen, Jagd mit Falken und Adlern, diversen Brettspielen, Hunde- und Pferderennen sowie verschiedenen Arten des Ringens.

 In einem Hippodrom gibt es auch die alten klassischen Reiterspiele wie Er Enish (Ringen auf dem Pferd), Cirit (ein türkisches Reiterspiel) oder das prestigeträchtige Kok Boru statt. Beim Kok Boru (in anderen Regionen Zentralasiens auch unter dem Namen Buzkaschi bekannt) treten zwei berittene Mannschaften gegeneinander an und versuchen einen Ziegen- oder Schafsbalg in das gegnerische „Tor“ zu befördern. Kennt man vielleicht aus einem Rambofilm, wo Sylvester Stallone im afghanischen Freiheitscamp mit den einheimischen Rebellen mit einer toten Ziege spielt.

 Heute gibt es auch eine Sportart die schon über tausend Jahre alt ist, es ist der Langstreckenlauf. Hier und heute werden Frauen, Männer und Kinder in verschiedenen Disziplinen von 2,5 km bis 42,195 km dem Marathon antreten und das auf der legendären Seidenstraße. Ich werde einer der Gladiatoren sein der sich auf den 42,2 km durch den Wüstenstaub der Seidenstraße durch die enorme Hitze und über viele Hügel dem See entlang kämpft um nach über 6 Stunden als Held durch das Ziel im Hippodrom zu laufen und mit einer Medaille geehrt zu werden. Es wird später sogar noch eine andere ganz besondere Ehrung für mich den 2.-ältesten Teilnehmer geben. Doch jetzt heißt es erstmal dieses Flair hier genießen mit den vielen Lauffreunden von unserer Reise.

 Zu Beginn dürfen natürlich auch die vielen Erinnerungsfotos nicht fehlen denn wir sind 6000 Kilometer von unserer Heimat entfernt.

 Auch so weit von der Heimat sind die Marathonsammler vom 100 Marathonclub Deutschland unterwegs und so treffe ich hier Hartmann Stampfer aus Südtirol.

 Während sich eine große Gruppe in der Sonne aufwärmt suche ich lieber den Schatten und die Kühle auf, denn es wird heute noch sehr heiß werden. Dann heißt es langsam fertig machen zum Start, der gleich vor der großen Haupttribüne erfolgen wird.

 Es geht los in der knallen Sonne und rund 1.600 Läufer und Läuferinnen kommen langsam in Bewegung. Wir verlassen das Stadion und biegen auf eine staubige Piste ab die uns hoch zur Hauptstraße der A 363 bringt.

 Von der Straße nochmal einen Blick runter zum Yssiykköl-See, denn wir werden nur wenige Blicke von der Laufstrecke zum Wasser haben.

 Die A 363 ist die Hauptverkehrsader die den ganzen See umrundet. Wir werden heute nur ein kleines Stück des riesigen Sees entlang laufen. 11,5% wird unsere Laufstrecke vom Stadion in Bosteri in östliche Richtung gehen. Begleitet werden wir linksseitig von der Bergkette Kungey-Alatau. Rechtsseitig werden wir ab und zu den See sehen und das dahinterliegende Gebirge Terskey-Alatau.

 Für viele der jungen Menschen die hier mitlaufen ist es wohl der erste Volkslauf und so rennen sie los als wär der Schneeleopard hinter ihnen her. Sie merken aber schon nach wenigen 100 Metern, dass es zu schnell war und sie müssen gehen. Die A 363 ist eine ewige Baustelle und so müssen wir immer wieder durch staubige Passagen laufen. Die Polizei schirmt uns so gut es geht ab. Sie sammeln die Autos und fahren langsam im Konvoi an uns vorbei. Staub schlucken werden wir heute viel auf dieser Piste.

 Nach 2,5km kommt die erste Wende für die 5km Läufer. Sie ist grün gekennzeichnet so dass alle mit grüner Nummer ums Schild laufen müssen und dann zurück Richtung Stadion.

 Es ist nun ein bisschen leerer geworden, denn rund 200 5-km Läufer sind weg. Dann geht es recht wellig weiter durch bzw. um Baustellen bis zum roten Retourn-Schild. Hier wenden nun der größte Teil der Läufer, denn rund 1.000 sind heute auf der 10km Strecke.

 Es geht auf die Halbmarathonwende zu. Mir setzt die Hitze enorm zu und ich muss jetzt schon längere Gehpausen einlegen. Ich freue mich über jeden Wasserstand um mich runter zu kühlen.

 Spätestens ab der Halbmarathon-Wende wird es leer auf der Straße und ich erblicke nur noch einen Läufer vor mir. Links und rechts der Straße gibt es Landwirtschaft und auch heute wird hier gearbeitet. Von uns Läufern nimmt hier keiner Notiz. Für die meisten der Bevölkerung ist das Laufen wohl eher verrückt, denn wer die ganze Woche auf dem Feld arbeitet braucht auch Ruhe und rennt nicht einfach so durch die Gegend. So ist es uns Läufern auch in unserer Heimat gegangen zum Anfang der 1970er Jahre.

 Der Ausdauerlauf ist aber schon viel älter, denn schon in den 1950er Jahren organisierte der Waldnieler Arzt Ernst van Aaken Dauerlaufgruppen. Den Durchbruch erreichte wohl der Neuseeländer Arthur Lydiard der den Laufsport auf die Straße brachte. Anfang der 1960er Jahre ging dann die Joggingwelle um die Welt. Vor 35 Jahren wurde mein Laufverein die LG Vellmar gegründet die stetig gewachsen ist. Heute zählen wir rund 500 Mitglieder die alle dem Laufsport frönen.

 An den Versorgungsstationen ist der Tisch für uns Läufer reichlich gedeckt und so mache ich überall einen längeren Halt und versorge mich mit fester und flüssiger Nahrung. Jetzt so um die Mittagszeit brennt die Sonne schon extrem auf uns herab und so beginne ich auch meinen Kopf bei jeder Gelegenheit mit viel Wasser zu kühlen. Nur nicht überhitzen und den Kreislauf stabil halten.

 Am Km-Schild 17 gibt es wieder Versorgung. Es geht weiter über die staubige Piste. Dann wir es ganz einsam und ich genieße nur noch den herrlichen Blick über den Yssiykköl See mit den verschneiten Bergen der Terskey-Alatau Berge des Gebirges. Hier sind wir nun direkt neben dem See für ein paar Hundert Meter.

 Auf einem großen Stein steht eine weiße Statue. Ich kann leider trotz google nicht rauskriegen was die Frau mit dem Schaf bedeutet. Dann kommt mal wieder ein kurzer für mich heftiger Anstieg um die Baustelle. Hinter dem nächsten Hügel liegt der Ort Bulan Sogottu. Hier gibt es eine Hotelanlage direkt am See die sich Costa Brava nennt.

 Es muss doch nun gleich die Wende kommen, denn es sind schon fast alle Marathonis wieder auf dem Rückweg.

 Hinter dem Ort liegt rechts der Straße der Friedhof und kurz danach erkenne ich die ersehnte Wende. Sie ist an einer der wenigen schattigen Stellen. Hier erwartet mich eine nette Gruppe junger Mädels sowie ein Offizieller. 10 junge Mädels stehen aufgereiht und klatschen dem letzten Läufer zu. Ich versorge mich mit reichlich Flüssigkeit und trete den Weg zur Umrundung des Retourn-Schildes an.

 Da ich diese Gruppe so nett finde nehme ich mir die Zeit und will ein Foto mit zwei Mädels im Arm machen und ruckzuck sind es sieben Mädels die mit aufs Foto wollen. Dann heißt es Heimweg. Ich bin nun schon für die erste Hälfte 2:55 unterwegs, mal sehen wie lange ich zurück brauche. Das Ziel ist angeblich 6 ½ Stunden geöffnet.

 Der Rückweg wird jetzt noch beschwerlicher, denn die Sonne saugt einem dem letzten Tropfen Flüssigkeit aus dem Körper. Der Körper hat schon lange aufgegeben aber mein Kopf ist auch heute wieder stärker. Ich will finishen. Man ist ja schließlich nicht oft auf der legendären Seidenstraße und kann einen Marathon hier laufen. Also stramm gehen und ab und zu versuchen zu laufen auch wenn es nur 50 oder 100 Meter sind.

 Es geht wieder nahe am See weiter und ich sehe schon das Schild noch 17 km, also schon 25 km geschafft. Weiter über die staubige Piste wo sich die Autofahrer einen Spaß machen und die Läufer auffordern ein Stück mit zu fahren. Sicherlich gibt es hier und da solche Läufer für mich wäre es aber Selbstbetrug.

 Weiter kämpfen. Dann kommt die Versorgung bei der Halbmarathonwende und weiter. Die Autos fahren jetzt schon einzeln und jedes Auto wirbelt ganz schön viel Staub auf. Also Staub fressen und weiter. Es kommt die 5km Wende Marke.

 Es geht weiter durch den Staub und die Autos. Es ist nicht mehr weit. Es kommt die 2,5km Wende Marke. Noch über einen Hügel und schon ist das Stadion zu sehen.

Dann wird das Stadion langsam größer, mein Ziel, meine Erlösung. Jetzt noch neben dem Gitterzaun runter und rein in die Arena. Noch zum letzten Mal Staub schlucken und dann geht es über den gepflasterten Vorplatz durchs Ziel wo ich von unserer Laufgruppe herzlichst empfangen werde.

 Dann endlich nach 6:26:29 habe ich das Ziel durchlaufen und erhalte eine schöne Medaille. Jetzt folgen die obligatorischen Zielfotos natürlich auch wieder mit netten jungen Mädels. Dann kommt nach mir, was ich nicht mehr geglaubt habe nach 6:30:18 doch noch eine Person ins Ziel. Es ist Асель Алканова (Asel Alkanova). Beim Marathon kamen heute 78 LäuferInnen ins Ziel.

Ende Teil 1                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Teil 2